„Ich kenne keine andere Stadt, in der alle Religionen gemeinsam vor die Synagoge gehen“

Nachricht 09. Oktober 2022

Oberbürgermeisterin Katharina Pötter hebt Bedeutung der Religionsgemeinschaften für eine funktionierende Demokratie hervor

Was haben unsere demokratischen Regeln mit religiösen Werten zu tun? Und welche Bedeutung haben Religionsgemeinschaften für eine funktionierende Demokratie? Diesen Fragen ging Oberbürgermeisterin Katharina Pötter beim Ökumenischen Frauenfrühstück in der Evangelisch-lutherischen Jakobusgemeinde nach. Das Frauenfrühstück ist ein Veranstaltungsformat, das seit vielen Jahren von den evangelischen und katholischen Kirchen in den östlichen Stadtteilen von Osnabrück durchgeführt wird. Sie habe bereits beim Reinkommen die besondere Atmosphäre gemerkt, „das verdient eine Kopie in andere Stadtteile“, sagte Katharina Pötter.

Aus christlicher Sicht sind unsere demokratischen Werte Menschenwürde und Menschenrechte Kategorien, die in der Gottebenbildlichkeit des Menschen wurzeln.

Katharina Pötter zu den Parallelen zwischen Christentum und Demokratie

Demokratische Regeln haben oft religiöse Wurzeln

In Osnabrück lebten zahlreiche Religionsgemeinschaften und auch viele nicht-gläubige Menschen friedlich miteinander, und dies auf der Basis von demokratischen Regeln, die häufig ihre Entsprechung in religiösen Werten fänden, so die Oberbürgermeisterin. „Aus christlicher Sicht sind zum Beispiel unsere demokratischen Werte Menschenwürde und Menschenrechte Kategorien, die in der Gottebenbildlichkeit des Menschen wurzeln. Die Betrachtung des anderen Menschen als Person, die auch von Gott geliebt wird, drückt sich in den Geboten der Nächsten- und der Feindesliebe aus und findet seine Entsprechung in der Demokratie in einem auf Frieden und Gerechtigkeit beruhenden Miteinander.“ Hinweise auf die inhaltlichen Verbindungen zwischen Christentum und Demokratie gäbe auch das „Gemeinsame Wort des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz“ aus dem Jahr 2006, in dem sich Christinnen und Christen klar zu der Verantwortung bekennen würden, die sie für das demokratische Gemeinwesen tragen. „Dazu gehört zum Beispiel, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, sich zu informieren und zu engagieren, Zivilcourage und Verständigungsbereitschaft zu zeigen oder auch sein Wahlrecht auszuüben.“

Das sind erschreckende Zahlen, die uns wachrütteln müssen und mich ernsthaft sorgen.

Katharina Pötter zu den jüngst veröffentlichten Umfragewerten zur Zufriedenheit mit der Demokratie

Religionsgemeinschaften kommt tragende Rolle bei der Bewahrung des gesellschaftlichen Friedens zu

Religionsgemeinschaften seien wichtige Partner in einer Demokratie, die vor dem Hintergrund der vielen Krisen und Herausforderungen, vor denen wir stehen, immer häufiger in Frage gestellt würde. So zeigten sich in einer Umfrage des Ende September vorgestellten Deutschland-Monitors zum Stand der Deutschen Einheit nur noch 39 Prozent der Ostdeutschen zufrieden mit der Demokratie, so wie sie in Deutschland funktioniere. Vor zwei Jahren lag dieser Wert noch neun Punkte höher. In Westdeutschland sank die Zufriedenheit in dem Zeitraum ebenfalls, von 65 auf 59 Prozent. „Das sind erschreckende Zahlen, die uns wachrütteln müssen und mich ernsthaft sorgen“, sagte Katharina Pötter. Um den inneren Frieden unserer Gesellschaft und den demokratischen Konsens zu bewahren, bedürfe es der Kooperation aller gesellschaftlichen Akteure, so die Oberbürgermeisterin, und schloss dabei ausdrücklich die Religionsgemeinschaften mit ein. „Die christlichen Kirchengemeinden in unserer Stadt, die Moscheen der dem Islam angehörenden Osnabrückerinnen und Osnabrücker und die jüdische Synagoge – sie alle sind für viele Menschen wichtige Orte gesellschaftlichen Miteinanders. Orte der Verständigung, Orte, an denen man Solidarität und Zuwendung erfährt, die identitätsbildend wirken können und manchmal sogar ein Stück Heimat und Stabilität bieten. Sie haben damit eine über den eigentlichen Ort hinausgehende gesellschaftliche Relevanz und erreichen als Multiplikatoren viele Menschen.“

Der Runde Tisch hilft Vorurteile und Unwissenheit abzubauen und bringt damit Menschen in Osnabrück ein Stück näher zusammen.

Katharina Pötter zum Runden Tisch der Religionen in Osnabrück

Religionen haben großes Potenzial zur Konfliktlösung, vor allem wenn sie gemeinsam auftreten

Katharina Pötter zeigte sich überzeugt, dass alle Religionen ein großes Potenzial zur Lösung von Konflikten, zur Sicherung des gesellschaftlichen Friedens und zur Stabilisierung der Demokratie besäßen. Insbesondere, wenn sie dabei zusammen aufträten, so wie der Runde Tisch der Religionen in Osnabrück, dem die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum, Islam und Bahai angehören. „Der Runde Tisch wirkt mit seinen Aktionen und Erklärungen in den öffentlichen Raum, aber auch in die jeweiligen Religionsgemeinschaften selber hinein. Er hilft Vorurteile und Unwissenheit abzubauen und bringt damit Menschen in Osnabrück ein Stück näher zusammen.“ Der Runde Tisch der Religionen stehe auch für Solidarität und Verbundenheit, so wie bei dem Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, im Oktober 2019, nach dem sich Vertreter*innen aller Religionen vor der Osnabrücker Synagoge zu einer Mahnwache versammelt hatten. „Ich kenne keine andere Stadt, in der alle Religionen gemeinsam vor die Synagoge gehen und in einer solchen Verbundenheit aktiv werden und Gesicht zeigen“, sagte die Oberbürgermeisterin.

Im Anschluss an den Vortrag von Frau Pötter folgte eine offene Fragerunde, in der ein weiter Bogen gespannt wurde von der Dauerbaustelle Neumarkt über Chancengleichheit in der Politik, Straßenausbaubeiträge, den Glasfaserausbau und die finanzielle Situation der Stadtwerke bis hin zur Frage, ob sie es schon einmal bereut hätte, Oberbürgermeisterin geworden zu sein. Habe sie nicht, denn „Oberbürgermeisterin sei ein tolles Amt und Osnabrück eine tolle Stadt“. Das strahle sie auch aus, meinte Miriam Meyer vom Organisationsteam des Frauenfrühstücks, die die lebhafte Diskussion zusammen mit Anne-Kathrin Bode, Pastorin der gastgebenden Jakobusgemeinde, moderierte. Verabschiedet wurde Katharina Pötter mit der neuesten CD der Jacob’s Gospel Singers, des ältesten Gospelchors der Stadt, und einer Einladung zum Gospel-Gottesdienst am Reformationstag in der benachbarten Petruskirche. „Wenn Ihnen die Musik gefällt, dann kommen Sie unbedingt zum Gottesdienst“, sagte Pastorin Bode zum Abschluss des lehrreichen Vormittags in ökumenischer Gemeinschaft.