„Studis bringen ein Riesenopfer in der Corona-Zeit“

Nachricht 29. Januar 2021

Pastorin Lore Julius wird am 3. Februar im Rahmen des Semesterabschluss-Gottesdienstes aus ihrem Amt als Pastorin der Evangelischen Studierendengemeinde Osnabrück (esg) verabschiedet. Die Seelsorgerin, deren Handy-Nummer alle Studierenden der esg haben, blickt im Interview auf vier gute Jahre in und mit der esg zurück.

Wie war Ihr Einstieg und erster Eindruck der Evangelischen Studierendengemeinde esg Osnabrück?

Lore Julius (LJ): Mittenrein und turbulent. Meine erste Begegnung mit der esg war das Erdbeermarmelade-Kochen, eine Semesterabschluss-Aktion, zu der mich meine Vorgängerin eingeladen hatte. Das war ein sehr roter und wirklich direkter Einstieg im Sommer 2016.

Was haben Sie an Ihrer Arbeit in der esg besonders geschätzt?

LJ: Die esg bietet allen eine offene Tür. Ich schätze an der Arbeit die Freiheit und Dynamik, die durch die Studierenden hereinkommt, ihre Lebendigkeit. Spontaneität ist möglich und nötig. Hier treffen sich Menschen mit unterschiedlichen Lebensstilen. Die Offenheit und der Austausch über Studium, Lebenswege und Glaubensfragen ist das, was alle verbindet. Man muss nicht gleich sein, um sich zu verbinden. Bekenntnis oder Glauben sind dafür keine Voraussetzung, jede*r ist willkommen. Was ich auch genossen habe, ist die fruchtbare ökumenische Zusammenarbeit mit der Katholischen Hochschulgemeinde: Hochschulgottesdienste in der Katharinenkirche, einen ökumenischen Gospelchor mit zeitweise bis zu 90 Sänger*innen, volle Konzerte zu Semesterende in der Markuskirche mit sprühender Musik, ökumenische Andachten, Wohnzimmerkonzerte und Freizeiten.

Was waren für Sie Höhepunkte der esg-Zeit?

LJ: Der „größte“ Höhepunkt war vielleicht die Vietnamreise im September 2019 mit zwölf Studierenden. Als Idee nach einem Vietnam-Länderabend weiterverfolgt, selber geplant, alle Fragezeichen ausgeräumt, Finanzierung organisiert – und am Ende standen fantastische Erlebnisse, menschlich, kirchlich und landschaftlich natürlich.

Ein Höhepunkt war für mich auch das von 2016 bis 2019 laufende Flüchtlingsprojekt. Die Studierenden wollten ein Willkommenszeichen setzen und haben unbegleitete minderjährige Geflüchtete einmal die Woche nachmittags zu Gesellschaftsspielen, Kreativangeboten und immer zum gemeinsamen Essen eingeladen. Da saßen wir manchmal mit Menschen aus sieben oder acht Nationen um den großen Esstisch. Es waren bereichernde Begegnungen, bei denen feste Freundschaften entstanden sind. Als Nachfolgeprojekt habe ich 2020 den „Treffpunkt International“ ins Leben gerufen. Er ist gedacht für Studierende, die für ein bis zwei Semester in Osnabrück sind und es bisweilen schwer haben, Kontakte zu knüpfen. In der esg können sie andere Osnabrücker Studierende kennenlernen, für die der Kontakt ebenfalls sehr bereichernd ist. Leider kam bald Corona dazwischen, aber der Anfang ist gemacht, es gibt eine aktive Gruppe, die wenigstens den digitalen Kontakt ermöglicht und damit schon hilfreich ist.

Weitere Highlights waren für mich die esg-Band „Sky Bound“, die auf den Kirchentagen in Berlin und Dortmund aufgetreten ist, und sicher auch die Kooperations-Veranstaltung mit dem Institut für Informatik zum Thema Künstliche Intelligenz. An der digitalen Diskussionsveranstaltung haben Leute teilgenommen, die wir sonst nicht in der esg treffen.

Welche Erfahrungen haben Sie während der Corona-Zeit gemacht? Was war schwierig?

LJ: Ich muss sagen, dass die Studis ein Riesenopfer in der Corona-Zeit bringen. Gerade, wer neu anfängt, hat es unglaublich schwer beim Kontaktaufbau und sieht manchmal wochenlang niemanden. Im ersten Lockdown haben wir uns zu digitalen Andachten getroffen, das war zunächst ganz schön, weil sich Leute von überall her zugeschaltet haben. Mit der Zeit ließ das nach, weil die Studierenden schon den ganzen Tag vorm Rechner sitzen. Wir haben stattdessen lieber die möglichen Lücken für Live-Treffen genutzt. Dabei wurde das große Bedürfnis der Studierenden einfach nur nach Begegnung und gemeinsam „abhängen“ klar. Tatsächlich haben Themenabende zu allgemeinen gesellschaftspolitischen Fragen in dieser Zeit nur eine geringe Resonanz erfahren.

Was werden Sie vermissen?

LJ: Dass jedes Semester Neues ermöglicht, dass man gemeinsam und spontan immer wieder Neues entwickeln kann, dass man nicht festgelegt ist. Auch die Erfahrung, dass vieles nicht selbstverständlich ist. Und natürlich vermisse ich die Zusammenarbeit im esg-Team und das Miteinander im Haus, in dem neben der esg auch andere kirchliche Einrichtungen und die Organisation help age arbeiten, die wir ja in Vietnam auch besucht haben.

Worauf freuen Sie sich jetzt?

LJ: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit allen Generationen, auf regelmäßige Sonntagsgottesdienste. Und natürlich darauf, Erfahrungen aus der esg-Arbeit einbringen zu können, zum Beispiel verstärkt danach zu schauen, welche Angebote und Ansprache für oder mit jungen Erwachsenen entwickelt werden können. Und ich hoffe sehr, dass Corona uns die Augen für ein stärkeres soziales Miteinander nachhaltig öffnet.

Pastorin Lore Julius hat im Januar 2021 eine Stelle als Pastorin in der St.-Petri-Gemeinde in Melle im Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte angetreten. Am 3. Februar wird sie im Rahmen des Semesterabschluss-Gottesdienstes in St. Katharinen verabschiedet. Der Gottesdienst wird per Livestream übertragen.

Fragen: Brigitte Neuhaus, Öffentlichkeitsarbeit Sprengel Osnabrück

Gottesdienst zur Verabschiedung von Pastorin Lore Julius

Live am Mittwoch, 3. Februar, ab 18 Uhr