Frau Dependahl, wie sind Sie von Georgsmarienhütte nach Osnabrück gekommen?
Dependahl: Zum einen hatte ich im Jahr 2011 im Kopf, dass ich noch einmal die Einrichtung wechseln wollte. Zudem bot die Integrative Thomas-Kita in der Dodesheide die Möglichkeit, freigestellt vom Gruppendienst als Leitung zu arbeiten. Das hat mich gereizt, weil ich es schwierig fand, auf Dauer die Arbeit in der Kita-Gruppe mit den Leitungsaufgaben zu kombinieren.
Wie nehmen Sie als freigestellte Leitung am Alltag in den Kita-Gruppen teil? Wie viel bekommen Sie von den Kindern mit?
Dependahl: In die Betreuungsarbeit in den Kita-Gruppen bin ich natürlich nicht eingeplant. Trotzdem habe ich viel mit den Kindern zu tun und bekomme viel von ihnen mit. Die Kinder und auch die Eltern kennen mich und sprechen mich an, wenn sie ein Anliegen haben. Umgekehrt weiß ich auch viel über die Kinder, weil ich mit den Gruppen, den Kindern und den Eltern im Austausch bin. Da bin ich sehr nah dran an den Kindern und den Familien in unserer Kita. Und: Einmal in der Woche machen wir Liederkiste. Dann singen wir gemeinsam mit allen Gruppen und ich begleite die Lieder auf der Gitarre. Das ist mir auch sehr wichtig.
Sie sind seit 40 Jahren in einer Kita tätig. Was ist das Besondere an der pädagogischen Arbeit?
Dependahl: Was mich immer gereizt hat, ist, dass die Kindergartenarbeit unglaublich spannend ist. Es gibt sehr viele pädagogische Herausforderungen. Und es ist so spannend zu sehen, wie Kinder sich entwickeln, wie neugierig sie sind und wie die Arbeit mit ihnen gestaltet werden kann. Es ist schön, wenn ich etwas bewirken kann. Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern finde ich sehr wichtig. Es ist wertvoll, gute Beziehungen zu den Kindern und den Eltern aufzubauen. Der wesentliche Teil unserer Arbeit ist Beziehungsarbeit.
Inwiefern hat sich daran in den vergangenen Jahren etwas verändert?
Dependahl: Wenn ich den Blick 40 Jahre zurückwerfe, nehme ich wahr, dass damals weniger Eltern berufstätig waren. Es gab eine Betreuung in der Kita bis zur Mittagszeit. Vielleicht hatten Eltern auch mehr Zeit, um sich engagieren zu können. Es war weniger los, um das sich Eltern kümmern mussten. Heute stelle ich fest, dass sich Eltern viel mehr um die Entwicklung ihrer Kinder sorgen. Die Ängste, dass alles in Ordnung ist und das Kind einen guten Weg macht, sind immens gestiegen. Den Überblick zu behalten, was das richtige für die eigenen Kinder ist, ist eine Herausforderung.
Fällt Ihnen dazu ein Beispiel ein?
Dependahl: Nehmen wir die Nutzung von Medien. Das ist ein Handwerkszeug, ohne das wir heute nicht mehr auskommen. Natürlich gibt es viel mehr Angebote als vor 40 Jahren. Allein dieses Feld bietet ein großes Konfliktpotenzial. Das kann sehr viel Stress auslösen in Familien. Es ist wichtig, genau in den Blick zu nehmen: Welches Angebot ist gut, welches nicht? Oder die Frage nach der Dauer der Nutzung: Was ist gut, was ist zu viel? Manchen Eltern ist nicht klar, dass die Nutzung von Medien im Übermaß schadet. Gleichzeitig geht bei zu viel Medienkonsum leider das Wissen verloren, was man stattdessen machen kann. Da kommt der Kita eine große Bedeutung zu, weil die Kinder hier einen Gegenpol erleben, wenn wir zeigen, wie Medien sinnvoll eingesetzt werden können. Aber das ist eine große Herausforderung für Erzieher*innen im Alltag mit den Kindern.
Ist die Arbeit in der Kita früher und heute noch vergleichbar?
Dependahl: Grundsätzlich schon. Wir betreuen und begleiten Kinder in ihrer Entwicklung. In der Verwaltung einer Kita hat sich vieles verändert, etwa die Digitalisierung in der Büroarbeit. Dass man früher auf einer Schreibmaschine schreiben konnte, ist heute fast nicht mehr vorstellbar. Die technische Weiterentwicklung ist schon enorm, wenn wir Briefe an die Eltern über die Info-App verschicken oder die Anwesenheit der Kinder digital dokumentieren. Die Betreuungszeiten haben sich über die Jahre deutlich in Richtung Ganztagsbetreuung erweitert. Mittlerweile gibt es fast flächendeckend in der Kita Mittagessen für die Kinder.
Und was hat sich gar nicht verändert?
Dependahl: Es verändert sich täglich ganz viel, aber die Gruppenstärke ist immer noch gleichgeblieben. 1992 ist das Kindertagesstättengesetz eingeführt worden. Ich habe eigentlich gedacht, dass ich es in meiner Laufbahn vielleicht noch erleben werde, dass die Gruppen kleiner werden. Aber das ist tatsächlich in der Zeit nicht passiert und wird meiner Meinung auch nicht passieren, bis ich in den Ruhestand gehe.
Fänden Sie es wichtig, dass die Gruppen kleiner sein sollten?
Dependahl: Für mich wäre das der entscheidende Punkt, um die Situation in der Kita zu verbessern. Lernen lebt von Beziehung, ich kann nur lernen, wenn ich eine gute Beziehung habe. Das geht in der Kita logischerweise nur, wenn weniger Kinder in der Gruppe sind. Die Investitionen der Politik, zum Beispiel die Kostenbefreiung von den Kita-Gebühren, sind nie in die Verkleinerung der Gruppengröße geflossen. Vielleicht wird so etwas umgesetzt, wenn tatsächlich die Kinderzahlen sinken sollten. Das wäre sehr wünschenswert, um qualitativ gute Betreuungsangebote zu haben.
Welche Momente genießen Sie in der Kita?
Dependahl: Ich genieße es, wenn ich die Kinder sehe und wenn ich wahrnehme, was sich entwickelt, wenn sie bei uns in der Kita sind. Wenn also ein Kind in der Krippe startet und welchen Weg es bis zur Einschulung nimmt, das finde ich unglaublich spannend. Es ist toll, wenn die Kinder mir etwas erzählen und wenn ich höre, mit welchen Worten sie etwas ausdrücken, wie sie etwas benennen. Zu erleben, mit welcher Leidenschaft und Emotionalität sie an Dinge herangehen, ist wunderbar. Es ist schön zu sehen, wie die Mitarbeitenden mit den Kindern agieren. Und es ist ein gutes Gefühl, ein Stück weit daran mitgewirkt zu haben, was die Kinder von der Eingewöhnung bis zur Einschulung hier in der Kita erleben können und dürfen. Das macht einfach Freude.
Wo und wie finden Sie Entspannung?
Dependahl: Ich bin ein kreativer Mensch und arbeite gerne in unserem großen Garten. Unkraut jäten macht mir Spaß. Ansonsten wandere ich gerne oder fahre mit dem Rad. Außerdem kann ich die Zeit mit meinen drei Enkelkindern genießen.
Vielen Dank für das Gespräch!